Geschlechtergerechtigkeit an Hochschulen 23. Juni 201430. Juni 2017 Zum Auftakt der Dialoginitiative Geschlechtergerechte Hochschulkultur hast du gefordert, Gleichstellung solle an den Niedersächsischen Hochschulen Chefsache werden. Worum geht es bei dieser Initiative genau? Aufgrund des traditionell engen Austausches zwischen Land, Hochschulen und Gleichstellungsbeauftragten konnte sich Niedersachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern bereits eine gute Positionierung in der Gleichstellungspolitik erarbeiten. Wir setzen diese Zusammenarbeit nun fort und wollen gemeinsam Wege finden, die Arbeitsbedingungen und Karriereinitiativen an den niedersächsischen Hochschulen geschlechtergerechter zu gestalten. Die bisherigen Gespräche zeigen, erfreulicherweise, dass auch die Hochschulen selbst bereit sind, Barrieren abzubauen und Gleichstellung zunehmend als Reputationsgewinn begreifen. Deshalb hoffe ich auf intensive Diskussionen in den Hochschulen, und freue mich auf viele kluge Ideen. Wo liegen die Gründe dafür, dass Professuren seltener mit Frauen als mit Männern besetzt werden? In Deutschland gibt es an den Hochschulen, ähnlich wie in Österreich und in der Schweiz, besondere Karrierewege, die sich deutlich von denjenigen in anderen Ländern unterscheiden. Im Schnitt sind die Menschen älter als 40, bevor sie zum ersten mal als selbstständige Hochschullehrerinnen und –lehrer arbeiten können. In Deutschland beträgt der Anteil der selbständig Lehrenden, also der W3-, W2- und Juniorprofessoren, insgesamt nur rund 15 Prozent. Zum Vergleich: In Frankreich liegt der Anteil bei rund 25 Prozent, in den USA bei über 50 Prozent. Deshalb müssen wir grundsätzlich überlegen, wie wir den bisherigen „Flaschenhals“ zur Professur weiten können. Hinzu kommt, dass in der Phase der Qualifikation, also der Beschäftigung während und nach der Promotion, gravierende Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern bestehen. So hat das Kompetenzzentrum Frauen in der Wissenschaft nachgewiesen, dass Frauen in wissenschaftlichen Berufen häufiger befristet und in Teilzeit tätig sind als Männer. Und dabei spielen familienbedingte Gründe, zum Beispiel Teilzeitbeschäftigung wegen Betreuungsaufgaben, ausdrücklich keine Rolle. Diese Strukturen führen unter anderem dazu, dass von den Beschäftigten im sogenannten wissenschaftlichen Mittelbau ein Anteil von rund 75 Prozent – Frauen etwas mehr als Männer – kinderlos ist. Ich finde diese Zahlen alarmierend. Wie könnte eine Umsetzung von konkreten Maßnahmen zum Erreichen von mehr Geschlechtergerechtigkeit an Hochschulen aussehen? Die Niedersächsischen Hochschulen haben sich mit dem Hochschulentwicklungsvertrag bereits dazu verpflichtet, die Anteile von Frauen in Bereichen zu erhöhen, in denen sie bislang unterrepräsentiert sind. Bei den jetzt anstehenden Zielvereinbarungen mit den einzelnen Hochschulen sollen diese Aspekte konkretisiert werden. Seit der Verankerung im Hochschulgesetz 1994, gibt es bereits deutliche Erfolge bei der Berufungspolitik. So sind die Anteile von Frauen an den Neuberufungen kontinuierlich gestiegen: 2013 erreichten sie bei den Universitäten erfreuliche 37,1 Prozent. Das markiert einen absoluten Höchststand. Doch darauf können wir uns keineswegs ausruhen, da es immer noch nicht gelingt, das Potential von Frauen, die die Grundqualifikation für eine wissenschaftliche Karriere, nämlich die Promotion erlangt haben, auch bis zur Professur zu führen. Es reicht auch nicht, die Strukturen zu verändern. Deshalb wollen wir mit dieser Dialoginitiative auch die Hochschulkultur in den Blick nehmen. Hochschulkultur ist ein weiter Begriff. Was bedeutet er? Insbesondere seit den 1970er Jahren befindet sich die Hochschulkultur im stetigen Wandel. Mehr Menschen aus bildungsfernen Schichten, mehr Frauen, mehr Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen streben als Lernende, Lehrende und Forschende an die Hochschulen. Auf diese Umstellung waren die Hochschulen nicht hinreichend vorbereitet und so ändern sich Wahrnehmungsmuster und Verhaltensweisen erst jetzt langsam. Vorrangig gehört dazu nämlich die Bereitschaft, sich selbst zu verändern. Wie kann der Einfluss von Hochschulkultur auf Personalentscheidungen bzw. Karriereabläufe definiert und gemessen werden? Oft ist die Haltung des Vorgesetzten oder des Dokotvaters wesentlich für die Karriereplanung einer Promovendin. So kann die Frage, ob sie sich auch mit Kind weiter qualifizieren kann, ihre Entscheidung in eine bestimmte Richtung lenken. Es geht also unter anderem um die Frage, wie Haltungen oder auch Vorannahmen über das Verhalten von Frauen bzw. Männern auch die Regeln und das Verhalten der Menschen, insbesondere derjenigen in Führungspositionen, prägen. Im Wissenschaftsbereich beschäftigen sich noch zu wenig Menschen mit dieser Thematik. Die Dialoginitiative „Geschlechtergerechte Hochschulkultur“ soll zu einer breiten Diskussion über die Notwendigkeiten einer intensiveren Genderkompetenz beitragen, denn auch die Bedeutung der Integration von Genderaspekten in die Lehre und in die Forschung ist noch nicht allen Hochschulmitgliedern ausreichend präsent.